Stückgut: Im Weihnachts- und Aktionsgeschäft steht ein Kampf um knappe Kapazitäten bevor
Autor: Marcus Schick I Lesezeit: 10 Minuten
31/10/2025
Die Rezession in Deutschland dauert an. Das spiegelt sich auch in der Nachfrage auf dem Transportmarkt wider. Die Kapazitäten bleiben dennoch hart umkämpft. Was bedeutet das für das Weihnachtsgeschäft? Welche Lösungen gibt es? Nachgefragt bei Stefan Behrendt, Managing Director Food Logistics, und Andreas Fritsch, Managing Director European Logistics Germany bei DACHSER.
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Seit 2023 befindet sich Deutschland in einer Rezession; die Industrieproduktion ist rückläufig, dem entsprechend weniger wird transportiert. Auch in der Lebensmittellogistik ist ein verstärktes Preisbewusstsein der Markenhersteller spürbar. Was bedeutet all dies für den zuletzt oft sehr gestressten und überhitzten Transportmarkt?
Andreas Fritsch: Eine Entlastung gibt es jedenfalls nicht. Denn die Kosten zur Erbringung qualitativ hochwertiger Logistikdienstleistungen steigen. Einer der Hauptkostentreiber sind steigende Personalkosten vor dem Hintergrund des strukturellen Mangels an Fachkräften. Hinzu kommen höhere Sachkosten, z.B. bei den Packmitteln, sowie in den Bereichen Digitalisierung, IT und Cyber-Security. Hier stehen Investitionen in den Bereichen Hardware, Server und Lizenzen ganz oben auf der Logistikagenda.
Stefan Behrendt: Am Transportmarkt kommt eine ganz eigene Dynamik zum Tragen. Einerseits geht das Basisvolumen in Food Logistics aufgrund des verbraucherseitig gestiegenen Preisbewusstseins bei den Kunden zurück. Auf der anderen Seite stellen wir einen signifikanten Anstieg im Aktionsgeschäft fest – mit immer höheren Spitzen. Zudem haben wir den Eindruck, dass die Marktsituation von einigen Verladern genutzt wird, um kurzfristig die eigene Rentabilität zu optimieren. Das ist jedoch zu kurz gesprungen, denn dadurch verstärkt sich der Effekt von schwindenden Ressourcen und erhöht – im Zusammenspiel mit dem härteren Wettbewerb um Aufträge und schwer planbaren Handelsaktionen – den Druck auf die Transportwirtschaft weiter.
A. Fritsch: Die Lage am Fahrermarkt hat sich dagegen etwas entspannt. Doch spätestens die Corona-Krise hat gezeigt: Wenn sich Fahrerinnen und Fahrer einmal umorientiert haben und in andere Industriezweige abspringen, ist es so gut wie unmöglich, sie wieder zurückzugewinnen. Wir arbeiten deshalb mit unseren Transportpartnern daran, in diesen herausfordernden Zeiten Kapazitäten langfristig zu erhalten.

Dafür müssen aber auch die Rahmenbedingungen stimmen. Welche Rolle spielt dabei die Verkehrsinfrastruktur?
S. Behrendt: Sie ist für alle Beteiligten im Logistikprozess eine große Herausforderung geworden. Die in Deutschland in die Jahre gekommene, marode Infrastruktur ist zu einem echten Bremsklotz im Straßengüterverkehr geworden. Im ganzen Land müssen Tausende Brücken umfassend modernisiert werden. Gefühlt ist das ganze Bundesautobahnnetz in Deutschland eine große Baustelle. Und viele Großprojekte stehen im Zuge des Sondervermögens für die Infrastruktur in den nächsten Jahren noch an.
A. Fritsch: Ein Blick in die Zahlen zeigt, womit wir und unsere Kunden tagtäglich konfrontiert werden. 2024 wurden über eine halbe Millionen Staus auf rund 856.000 Staukilometern registriert. Das ist mehr als zweimal die Strecke von der Erde zum Mond. 448.000 Stunden im Stau schlagen in der Transportdienstleistung auch betriebswirtschaftlich deutlich zu Buche. Und da haben wir noch nicht von dem damit verbundenen Stress entlang der Lieferkette für die Fahrer und die Kunden gesprochen. Zum Beispiel in der Stadtbelieferung: Die Fahrer tun sich hier oft schwer, wenn es zu immer neuen Straßensperrungen und Umleitungen kommt. Das hat dann auch eine betriebswirtschaftliche Seite – Fahrzeit ist Arbeitszeit. Und die soll und muss mit Blick auf die Logistikkosten immer sinnvoll und planvoll eingesetzt werden.
448.000 Stunden im Stau schlagen in der Transportdienstleistung auch betriebswirtschaftlich deutlich zu Buche.
Was heißt all das für DACHSER und seine Transportpartner?
A. Fritsch: Wir müssen und können auf strukturelle Herausforderungen nur mit Weitsicht und einem klaren Kompass antworten. Gerade jetzt kommt es darauf an, beispielsweise beim Personal die notwendigen Investitionen zu tätigen, um morgen noch über genügend Frachtraum verfügen und unser Qualitätsversprechen einlösen zu können.
S. Behrendt: Nur wenn wir die Anstrengungen steigern, um Fahrerinnen und Fahrer zu halten oder neu für uns zu gewinnen, werden wir langfristig die Kapazitäten sichern können. Das wird sich zwangsläufig auch in der Vergütung als Teil der Jobattraktivität und damit in der Preis- und Kostenstruktur widerspiegeln müssen.
A. Fritsch: Die DACHSER Service und Ausbildungs GmbH setzt genau an dieser geforderten Jobattraktivität und -qualität für Berufskraftfahrende an und hat umfassende Programme aufgelegt, um Nachwuchskräfte zu sichern und die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Das kommt sehr gut an. Wir bilden mittlerweile in fast jeder DACHSER Niederlassung im deutschsprachigen Raum Berufskraftfahrerinnen und Berufskraftfahrer aus – für uns selbst, vor allem aber auch für deren späteren Einsatz bei unseren Service Partnern und für ihren Gang in die Selbstständigkeit.
S. Behrendt: Dass wir damit allein den strukturellen Fahrermangel, mit dem ganz Europa zu kämpfen hat, nicht beheben können, wissen wir. Wir setzen aber ein starkes Signal in die Branche, wie ein Lösungspfad aussehen kann. Auch 2025 haben sich wieder 105 junge Menschen für die Ausbildung zur Berufskraftfahrerin oder zum Berufskraftfahrer bei DACHSER entschieden. Ihr Echo und die positive Resonanz aus der Branche zeigen uns, dass DACHSER mit diesem Fokus auf Menschen und wertschätzendes Miteinander einen wichtigen Punkt hat bei der Sicherung von Lieferketten gerade unter den derzeit besonders anspruchsvollen Bedingungen.
Mit der DACHSER Service und Ausbildungs GmbH hat der Logistikdienstleister vor über zehn Jahren eine nachhaltige Qualifizierungsoffensive ins Leben gerufen, um den Fahrermangel zu begegnen. Mittlerweile ist DACHSER einer der größten Ausbilder von Berufskraftfahrern und -fahrerinnen in Deutschland.

Wie kann man die Transportpartner dabei aktiv einbinden?
A. Fritsch: Dafür haben wir unter anderem unsere Service Partner Initiative aufgesetzt. Sie hebt die Zusammenarbeit von Dachser, den Service Partnern aus den Transportunternehmen und deren Fahrern auf ein neues Level. Im Vordergrund steht dabei die Entwicklung einer langfristigen Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Das ist eine Grundvoraussetzung, um gemeinschaftlich die anstehenden Herausforderungen auf dem Transport- und Fahrermarkt im europäischen Kontext zu meistern. Zugleich hilft uns das, dass wir uns als Dachser vom Wettbewerb differenzieren und gemeinsam mit den Servicepartnern das Kerngeschäft nachhaltig sichern.
S. Behrendt: Hier wird einmal mehr ganz klar deutlich: Zukunftssicherung ist immer eine Gemeinschaftsaufgabe, sie gelingt nicht im Alleingang. So sind beispielsweise beim Laderaummangel Handel, Produzenten und Logistik gemeinschaftlich gefordert, deutliche Anstrengungen zu unternehmen, um Kapazitäten und Ressourcen planbarer zu machen. Ziel muss sein, vorausschauend und flexibel zu agieren, insbesondere bei saisonalen Schwankungen oder Aktionsgeschäften. Ressourcen wie Lager, Fahrer, Equipment, etc. und die damit eingeforderte (Netzwerk-)Qualität fallen nicht vom Himmel, Vorhaltekosten müssen gemeinsam von allen Beteiligten in der Lieferkette geschultert werden.
A. Fritsch: Zu einer vorausschauenden Planung und einer langfristigen Strukturverbesserung gehört immer auch, dass alle Beteiligten in der Kette in der Lage sein müssen, auch kurzfristig auf Veränderungen zu reagieren. Ein Beispiel kommt dazu in diesen Tagen aus dem Bereich der Packmittel. Die aktuell geringe Verfügbarkeit, z.B. bei Europaletten lässt die Preise kräftig anziehen. Solche außerplanmäßigen Preissprünge werden sich auch auf der Kostenseite niederschlagen müssen.
Wie kommen diese Herausforderungen und der zunehmende Wettbewerbsdruck bei DACHSER an?
S. Behrendt: Den steigenden Wettbewerbsdruck bei ohnehin eher geringen Margen spüren gerade kleinere Speditionen besonders schmerzhaft. Eine Folge: Die Zahl der Insolvenzen steigt. Dies führt einerseits zu einer Konsolidierung der Logistikbranche. Es sind vor allem große Unternehmen wie DACHSER, die dem Preisdruck mit Netzwerkeffizienz begegnen können und so in der Lage sind, neue Wachstumsmöglichkeiten zu erschließen.
Was heißt dies beispielsweise für die Lebensmittellogistik?
S. Behrendt: Im Lebensmittelmarkt ist bei den Verladern und im Handel der Preisdruck enorm. In der Rezession stagnieren bei Markenartiklern die Umsätze. Die Verbraucher sind in Zeiten vielfältiger Unsicherheiten noch preisbewusster. Gleichzeitig steigt der Druck beim Handel – mit aggressiven Preisrunden und verstärktem Eigenmarkengeschäft. Weil die Hersteller den stagnierenden Absätzen mit einem immer intensiveren Aktionsgeschäft begegnen, steigt nicht nur zu Feiertagen und Großereignissen das Volumen kurzfristig sehr stark an. All das muss vom Logistikdienstleister aufgefangen werden. Nur werden wir in solche Planungen bisher meist nicht eingebunden, was einem vorausschauenden, gemeinsamen Handeln mit hocheffizienten, gesicherten Lieferketten entgegensteht.
Was bedeutet das konkret?
S. Behrendt: Es wird dann oft kritisch. Nicht nur, weil das Aktionsgeschäft die Planbarkeit des Geschäfts beeinträchtigt. Bei rezessionsbedingten allgemein niedrigeren Volumina machen es weniger verfügbare Fahrer am Markt und weniger vorgehaltener Laderaum schwierig, den kurzfristigen Mengenanstieg kosteneffizient zu bewältigen. Vor allem, wenn von den Kunden zu Recht höchste Transportqualität und Verlässlichkeit erwartet werden.
Wie zu den Feiertagen die Leckereien pünktlich ins Supermarktregal gelangen, erzählen die Food Logistics Experten von DACHSER in einer besonders weihnachtlichen Ausgabe DACHSER Podcasts „NetzWert“.
Rechnen Sie zu Weihnachten mit Lieferengpässen? Droht eine unangenehme Überraschung unterm Christbaum und auf der Festtafel daheim?
A. Fritsch: Wir sind bei DACHSER auf das Weihnachts- und Aktionsgeschäft gut vorbereitet und bringen ein leistungsfähiges, robustes Netzwerk jahrzehntelange Erfahrung mit. So können wir entsprechende Kapazitäten für unsere Kunden vorhalten. Das ist allerdings mit erheblichem Aufwand und vorbereitender Netzwerksteuerung verbunden. Rechtzeitig und planbar die Lieferketten zu den Festtagen vom Hersteller zum Markt sicherzustellen, hat angesichts des steigenden Kostendrucks seinen Preis. Es bedarf dazu gemeinsamer Anstrengungen von Herstellern, Handel und Logistikdienstleister zur Kostenoptimierung.
S. Behrendt: Beim Verlader gibt es jedoch teilweise eine andere Wahrnehmung. Die schwache gesamtwirtschaftliche Lage hat dazu geführt, dass den Herstellern im Lebensmittelbereich von Logistikdienstleistern für nicht temperaturgeführte Transporte verstärkt freie Kapazitäten angeboten wurden. Damit kann man vielleicht kurzfristig Lücken stopfen – mit einer nachhaltigen Erholung bei der Personal- und Laderaumverfügbarkeit hat das aber nichts zu tun.
Weil die Personal- und Sachkosten absehbar weiterhin steigen, sind massive Investitionen erforderlich, um Kapazitäten langfristig zu sichern – und dem Kunden effizienten und qualitativ hochwertige Logistikdienstleistungen anbieten zu können.
Wie geht es weiter? Ist eine Entspannung in Sicht?
A. Fritsch: Das Frachtvolumen auf der Straße hat sich Anfang 2025 tatsächlich wieder etwas erholt, vor allem in Frankreich, Polen und Deutschland. Trotzdem ist es immer noch niedriger als im ersten Quartal 2024. Wir rechnen mit einer leichten Erholung, weil die Inflation nachlässt und sich langsam die Stimmung in der Industrie und bei den Konsumenten aufhellt.
S. Behrendt: Fest steht aber auch: Weil die Personal- und Sachkosten absehbar weiterhin steigen, sind massive Investitionen erforderlich, um Kapazitäten langfristig zu sichern – und dem Kunden effizienten und qualitativ hochwertige Logistikdienstleistungen anbieten zu können. Es zeigt sich, dass wir mit der Strategie und den Zielvorgaben, die DACHSER schon vor Jahren vorgelegt hatte, richtig lagen. Während andere Unternehmen gerade verstärkt „auf Sicht“ fahren, bleiben wir bei unseren langfristig ausgelegten Zielen und bauen weiter auf Netzwerkvorteile, Effizienz und Qualität. Wir werden daher unser Leistungsangebot auch nicht einschränken, sondern ganz im Gegenteil weiter ausbauen mit zentralisierter und dezentralisierter Netzwerkplanung, mit modernen Standorten, IT- und KI-Kompetenz und qualifizierten Mitarbeitenden. Zu einer solchen am Markt einzigartigen Netzwerkqualität und bestmöglicher Verlässlichkeit muss vieles zusammenkommen.
A. Fritsch: Heute schon an morgen und übermorgen denken: Eine herausragende Rolle spielen für DACHSER dabei moderne Fahrzeuge und alternative Antriebssysteme. In bestimmten Stadtgebieten sind bei uns emissionsfreie Lieferungen mit Elektro-Lkw oder Lastenfahrrädern Standard. Bis Ende 2025 wird DACHSER Emission-Free Delivery 25 europäische Städte abdecken. All das ist auf Zukunft und Kundenzufriedenheit gerichtet und damit deutlich mehr als kurzfristiger Krisenaktionismus mit am Ende doch oft trügerischen Schnäppchenangeboten.






